Ciska (Roma) aus Rumänien, 19 Jahre

Ciska stammt aus einem kleinen Dorf in Rumänien und lebte dort in einer Hütte auf einem Platz, auf dem auch Wohnwagen stehen. Dort leben ca. 300 Menschen, die weitestgehend alle zu ihrem Familienverband gehören.
Ciska hat zwei Kinder mit ihrem Cousin Kamin, mit dem sie nach den Regeln ihrer Großfamilie als verheiratet gilt.
Kamin arbeitet mit den anderen Männern in unterschiedlichen Bereichen und an wechselnden Orten. Das Einkommen der Gruppe ist wechselnd und niedrig. Die älteren Frauen passen auf die Kinder auf.

Ciska hat wie viele der jüngeren Frauen in ihrer Heimat in unterschiedlichen Bereichen, besonders in der Gastronomie und in Haushalten gearbeitet, auch in Fabriken und in der Landwirtschaft.
Sie hat sich auch hin und wieder für die Familie für Sachleistungen oder finanzielle Mittel prostituiert.
Das wurde von ihr und den jüngeren hübscheren Frauen verlangt und war ihr Beitrag zum Familieneinkommen. Persönliche Empfindungen und Emotionen der einzelnen Frauen oder deren Ehemänner wurden nicht berücksichtigt.

Seit 2007 wurden auch Mitglieder der Familie in Mitgliedsstaaten der EU zum Arbeiten geschickt. Männer halfen zum Teil bei der Ernte, beim Straßenbau und Waldarbeiten. Außerdem wickelten sie Geschäfte in unterschiedlichen, nicht legalen Bereichen ab.
So wurden auch Ciska und eine Cousine nach Deutschland gebracht um hier für die Familie der Prostitution nachzugehen. Das ist zunächst einmal legal, wenn sie dies freiwillig tun. Dann unterliegen sie den gleichen Rechten und Pflichten wie andere ArbeitsmigrantInnen. Sie müssen einen legalen Aufenthaltsstatus (wie z.B. bei EU-Bürgerschaft) haben und ihre Tätigkeit beim Finanzamt anmelden, auch die Mitgliedschaft in einer Krankenversicherung ist Pflicht.

Ciska und ihre Cousine wurden in einer 1 ½-Zimmer-Wohnung in der Nordstadt untergebracht, in der nur zwei Matratzen lagen und ein Zwei-Platten-Kocher und eine Pfanne für die Mahlzeiten bereit standen. Die Wohnung wurde über einen „Mittelsmann“, der auch in andere Geschäfte der Familie eingebunden ist, für 175 Euro mtl. angemietet und für tgl. 40 Euro an die Frauen weiter vermietet.
Die Mädchen bahnten Prostitution in Kneipen oder auf dem Straßenstrich an und gehen dann mit den Männern ins Hotel, fahren mit ihnen in Autos an ruhige Plätze oder führen nachts die Dienstleistungen auch in Toreinfahrten oder dunklen Ecken aus. Diese Form der Prostitution ist besonders gefährlich, weil die Frauen, jung und örtlich unerfahren und sehr häufig geschwächt durch Mangelernährung und Übermüdung sind.
Sie stehen unter großem Druck nicht nur die Miete und die Nahrung zu erarbeiten, es kommt auch täglich mehrfach ein Mitglied des Familienverbandes und holt das verdiente Geld ab.

Nach ca. 3 Monaten wurde Ciska von einem Polen umworben, der ihr versprach, sie könne in einem Club arbeiten und viel Geld in angenehmer Umgebung verdienen.
Zunächst sollte sie auf einer Party „Probe arbeiten“. Ciska besprach sich mit Familienmitgliedern, die einwilligten und sie zu der Party fuhren. Dort wurde sie gezwungen an 12 Männern sexuelle Dienstleistungen ohne Kondom auszuführen. Zusätzlich wurde sie gequält und verletzt.
Das vereinbarte Geld wurde nicht gezahlt, aber später von Mitgliedern des Familienverbandes eingetrieben. Ciska war nicht krankenversichert und wurde zu keinem Arzt gebracht. Sie durfte lediglich 3 Tage pausieren. Die Familie machte ihr Vorwürfe, „weil sie nicht besser aufgepasst habe“ und auch ihr Mann, der zur Zeit in Deutschland zu Besuch war, hat sie gemieden.
Nach 6 Wochen vermutete sie eine Schwangerschaft, sprach aber mit niemandem darüber.

Der Kontakt zur Mitternachtsmission entstand durch den Wirt einer Kneipe, der schon öfter Frauen an die Mitternachtsmission verwiesen hat. Er hatte beobachtet wie Ciska immer mehr verfiel, sie bekam eine Akne und andere Hauterkrankungen, sie weinte viel und trank große Mengen, wenn sie alkoholische Getränke ausgegeben bekam, außerdem war ihre Schwangerschaft schließlich unübersehbar.

Unsere rumänische Kollegin suchte Ciska in der Nordstadt und es gelang ihr nach einer Weile durch verlässliche Hilfe Vertrauen zu wecken. Ein Schwangerschaftsabbruch, wie von Ciska gewünscht, war wegen der weiten Fristüberschreitung nicht mehr möglich.
Wir vermittelten ärztliche Behandlung, halfen mit Nahrungsmitteln und Kleidung aus und es gelang uns noch kurz vor der Geburt Ciska in eine Krankenversicherung zu vermitteln.
Der kleine Sohn wurde in einem Dortmunder Krankenhaus geboren. Eine Adoption, in die Ciska bereits eingewilligt hatte, wurde vom Familienverband verhindert.

Ciska lebte weiterhin mit dem Baby und ihrer Cousine in der kleinen Wohnung. Die Cousine und sie wechseln sich mit den Arbeitszeiten in der Prostitution ab und achten abwechselnd auf das Kind.
Ciska hat - außer dem Kindergeld - keinen Anspruch auf Leistungen unseres Sozialsystems. Sie muss weiterhin Geld an ihre Familie abgeben und den Vermieter bezahlen, außerdem die Cousine für das Babysitten entlohnen.
Auf dem Heimweg holt sie Gemüsereste aus den Abfallcontainern der Lebensmittelgeschäfte, außerdem schenkt ihr ein türkischer Lebensmittelhändler manchmal abgelaufene Nahrungsmittel.

Die Mitternachtsmission half mit Möbeln, Kleidung, Hygieneartikeln, Babyerstausstattung und -nahrung, Windeln, Kinderkleidung und –pflegemitteln, die wir als Sachspenden von netten Leuten bekommen.
Wir versuchen auch, ihr zu helfen eine andere kleine Wohnung zu finden mit Dusche und Heizung, aber es ist schwer Vermieter zu finden, die sich auf Mieter einlassen, die nicht wenigstens ALG II erhalten.

Ciska ist in einer schwierigen Lage. Die Cousine wird zusehends unwilliger und möchte nicht mehr auf das Baby aufpassen. Außerdem stört sie das Babygeschrei in der kleinen Wohnung. Sie hat jetzt einen Freund und möchte zu ihm ziehen. Der Familienverband hat angeboten das Kind in Rumänien groß zu ziehen, will aber von Ciska dafür mtl. weitere 800 Euro.

Ciska möchte aus der Prostitution aussteigen, weil sie seit der „Party“ mit den vielen Männern große Angst hat. Sie kann nicht nach Rumänien zurück, weil die Familie sie ausstoßen und ihr große Schwierigkeiten machen würde. Schutz kann sie nicht erwarten.
Ihren Mann hat sie schon drei Jahre nicht mehr gesehen. Er lebt mit einer anderen Frau zusammen, die ein Kind von ihm erwartet.

Da Ciska immer sehr ordentlich ist und eine gute Begabung für Organisation hat, möchte sie hier einen Putzdienst aufziehen. Pläne in dieser Richtung hat sie bereits gemacht. Noch ist sie zu schwach und ihre juckende Hauterkrankung zu beeinträchtigend, aber wir haben Hilfe durch einen sehr guten Hautarzt, der ihr viele Medikamente schenkt und schon kleinere Eingriffe wegen der Narben kostenlos gemacht hat.

Wir werden Ciska durch unsere rumänische Kollegin weiterhin betreuen lassen, ihr Selbstvertrauen und ihre Gesundheit stärken und ihr helfen, in einem Bereich außerhalb der Prostitution Fuß zu fassen. Das alles wird möglich sein, wenn auch nicht schnell.

Das Schwierigste wird sein, ihr dabei zur Seite zu stehen, die mächtigen „Familienbande“ zu lockern und den Druck der Forderungen und emotionalen Erpressungen zu lösen.

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